Tamara Lukasheva – Gesang, Klavier, Melodika | Matthias Schriefl – Trompete, Flügelhorn, Tuba, Euphonium, Alphorn, Gesang, Akkordeon
Weltmeister des Blechs und eine Fee der Stimme – so kann man das Programm von Matthias Schriefl und Tamara Lukasheva überschreiben. Matria verbindet verschiedene süddeutsche Volksmusikarten (z.B. Jodler, Almlieder, Zwiefache) mit ukrainischer Volksmusik, ein groovendes Alphorn mit dem Gesang der ukrainischen Karpaten, Improvisation und Freiheit mit Tradition aus beiden Ländern.
„Noch sind der Ukraine Ruhm und Freiheit nicht gestorben, noch wird uns lächeln, junge Ukrainer, das Schicksal. Verschwinden werden unsere Feinde wie Tau in der Sonne, und auch wir, Brüder, werden Herren im eigenen Land sein“, lautet die erste Strophe der ukrainischen Nationalhymne – und nein, sie ist nicht gerade aktuell in diesen Tagen geschrieben worden, auch wenn dies in so tragischer Weise naheliegt. Der ukrainische Dichter Pawlo Tschubynskyj schrieb im Herbst 1862 das patriotische Gedicht, das später zur Hymne wurde, lange bevor es die Ukraine als eigenständigen Staat gab.
Die Welt ist seit dem 24. Februar nicht mehr so, wie sie vorher war. Matria macht Musik, die zu einer Zuflucht wird, die Menschen verbindet – in einer Weltlage, die erst zögerlich in der Alltagsnormalität vieler Menschen ankommt und jeden Tag aufs Neue das bis dahin Vorstellbare sprengt.
“Da agieren Menschen, auf deren emotionale und produktive Energie im Zentrum von Bedrohung, Verzweiflung und Ohnmacht Verlass ist. Noch wissen wir nicht, ob solche Ressourcen irgendwann den Wahn eines einsamen Despoten zu brechen vermögen (…) Die Stücke dieses Konzerts zeigten, dass Musik doch immer in erster Linie Liebeserklärung und nicht Waffe ist. Gerade für diesen Aspekt erweist sich Trompeter Matthias Schriefl als idealer Partner, wenn er Bezüge zu seiner alpenländischen Prägung ins Spiel bringt, aber auch zeigt, dass er selbst in ukrainischer Musik sehr wohl zu Hause ist. Als er schließlich auf dem Alphorn im virtuosen Duett mit den zarten Gesangslinien von Lukasheva kommuniziert, lebt real-existierende kulturelle Nachbarschaft. Auch die ist hinter den Mauern des Kremls anscheinend so gefürchtet und verachtet.“ schrieb Stefan Pieper zu einem Konzert der beiden im Kölner Stadtgarten.
“Berg-Musik, die beim Zuhörer das schönste Echo auszulösen vermag.” – Sirus W. Pakzad / Jazzthing 2018
“Matria: Spaß als Widerstand
Was auch immer das Wort Matria bedeuten mag, welcher Sprache es entlehnt ist, dem Ukrainischen, Allgäuischen, Lateinischen, ob es auf der ersten Silbe betont ist, auf der zweiten oder dem Schlussvokal: ich weiß es nicht, ist auch egal.Was ich weiß ist, dass Matria – manchmal zumindest – für Hoffnung und Aktivismus steht, für ein Versprechen und zugleich für den Versuch, es im Hier und Jetzt einzulösen und dabei den größtmöglichen musikalischen Spaß miteinander zu haben.
Matria ist das Duo der aus Odessa stammenden Sängerin, Pianistin und Komponistin Tamara Lukasheva mit dem aus Maria Rain im Allgäu stammenden Trompeter, Brass-Multiinstrumentalisten und Komponisten Matthias Schriefl, zweier Virtuos:innen ihrer Fächer, die gemeinsam auf der Bühne des Rudolstadt-Festivals eine Menge Spaß hatten. Spaß, der umso größer wird als sie sehr häufig auf Melodien und Klänge ihrer Heimatregionen zurückgreifen, die allgemein vom Aussterben bedroht sind. Und dass dieser Rückgriff vor dem Hintergrund des Vernichtungskrieg gegen die ukrainische Kultur Widerstand und Gegenwehr transportiert, gibt dem Spaß an der Musik von Matria tragische Tiefe.“ – Stefan Hentz / WDR 2022
Tamara Lukasheva
Tamara Lukasheva ist Sängerin, Komponistin, Musikerin. Ihr Interesse gilt Musik, die etwas in sich birgt: Seien es Gefühle oder Geschichten, sei es Metaphorik oder Ambivalenz, Politik oder Poesie. Sie geht voller Neugier und mit wachen Sinnen durch die Welt. Musik ist ihre Muttersprache – und ihr Mittel, um Eindrücke, Begegnungen, Alltag und Weltgeschehen zu verarbeiten. Und etwas Neues zu erschaffen, das wiederum andere Menschen berührt; über Grenzen und musikalische Kategorien hinweg. Tamara Lukasheva wurde 1988 in Odessa, Ukraine, geboren. Zwischen 2003 und 2007 studierte sie am Konservatorium in Odessa, zwischen 2010 und 2015 an der Hochschule für Musik und Tanz in Köln, wo sie heute lebt.
Zahlreiche CD-Aufnahmen mit ihren eigenen Formationen (u.a. Kusimanten „Bleib ein Mensch“, Tamara Lukasheva Quartett „Patchworkof Time“,’’Homebridge’’,Duo ‚’’Matria’’ mit Matthias Schriefl, Duo Lit „Es ist deine Zeit… und die läuft“), sowie als Gast (u.a. East Drive „Folksongs 2“, Eurasians Unity) zeugen von Lukashevas Produktivität. Ebenso tourt sie nicht nur regelmäßig in der Ukraine und Deutschland, sondern unternahm Konzertreisen nach Ungarn, Mittelamerika, Indien, Albanien, Egypt, Italien,Pakistan, China, Thailand, Russland und Kasachstan. Tamara Lukasheva wurde als Solistin, Ensembleleiterin und Komponistin
mit einer Vielzahl von Preisen ausgezeichnet, stellvertretend seien hier genannt: Int. Wettbewerb der Jazzsänger Moskau, „Voicingers“ Jazz Vocal Competition Polen 2011, „Keep an Eye“ Award Amsterdam 2015, Kompositionswettbewerb des Bundesjazzorchesters 2016 und „Neuer Deutscher Jazzpreis“ 2017. 2018 wurde Tamara Lukasheva als „außergewöhnlich variable und ideenreiche Musikerin“ mit dem renommierten Horst-und-Gretl-WillStipendium für Jazz und improvisierte Musik der Stadt Köln, ihrer Wahlheimat ausgezeichnet.
Bereits während ihres Studiums in Köln gründete sie ein Quartett mit Sebastian Scobel (Klavier),
Jakob Kühnemann (Bass) und Dominik Mahning (Schlagzeug). 2019 ersetzte Lucas Leidinger Sebastian Scobel am Klavier. “Her vocal clarity and theatricality are both innovative and mesmerizing, balancing between infantilism and a fully mature psycho-drama.” — Greg Drygala, Hifi Critic
Darüber hinaus ist sie im Rahmen mehrer Kooperationen aktiv: mit Marie Theres Hartel (Viola) und mit DeeLinde (Cello) bildet sie das Streichtrio „Kusimanten“. Als Sängerin kooperiert sie mit Vadim
Neselovskyi, Hans Lüdemann, Arkady Shilkloper, Bodek Jahnke, Sebastian Gramss, Jens Düppe, Dominik Mahnig und anderen bedeutenden Musikern der europäischen Jazz Szene. Mit Johannes Weber (Gitarre), Malte Viebahn (E-Bass) und Antoine Duijkers (Schlagzeug) unternimmt sie unter dem Namen „Lukoshko“ interstellare Ausflüge zu kosmischen Sphären.
Matthias Schriefl
Matthias Schriefl, Jahrgang 1981, wuchs am Rande der Alpen in Maria Rain auf. Von 2000 bis 2005 studierte er in Köln und Amsterdam. Seit 2006 veranstaltet er die Konzertreihe Jazz-O-Rama im Artheater Köln. Von 2008 bis 2010 tourte er mit seiner Band Shreefpunk als „Rising Star“ der European Concert Hall Organisation durch die großen Konzerthäuser Europas. Danach experimentierte er vorwiegend mit alpiner Musik. 2012 brachte er bei ACT in der Reihe „Young German Jazz“ das mehrfach preisgekrönte Album mit Six, Alps & Jazz heraus. Es folgen bis heute regelmäßig neue CD-Aufnahmen mit diversen Bands, in welchen er als Musiker und Komponist seinen jeweiligen Mitmusikern wie „maßgeschneidert“ seine Stücke auf den Leib schreibt. Schriefl lebt in Köln und teilweise im Allgäu. Seine musikalische Neugierde inspiriert ihn immer wieder zu längeren Studienreisen nach Indien und Aufenthalten in afrikanischen und südamerikanischen Ländern, wo er sich mit verschiedenen musikalischen Traditionen befasst. 2016 zahlte sich sein vielseitiges Engagement mit dem Weltmusik-Preis RUTH in Rudolstadt aus. 2019 gewann er gleich doppelt in Mannheim beim Neuen Deutschen Jazzpreis, den Bandpreis mit seiner Band Shreefpunk plus Strings und den Solistenpreis. Im Corona-Jahr 2020 ging er im Sommer mit Johannes Bär im Duo zu Fuß von dessen Heimatort zu seinem und spielte auf dem Weg Open-Air-Konzerte. Diese Tour wurde von einem Kamera-Team begleitet, die 2021 den Film „Auf Tour Z’Fuaß“ in die Kinos brachte, der 2022 auf DVD erscheint. Im Jahr 2021 gründete er die Band Geläut, mit der er viele Kirchengeläute vertonte und live mit ihnen interagierte, was in eine aufwändige CD-Produktion mündete. Außerdem leitete er 2021 das BundesJazzOrchester mit einem eigens für die Band geschriebenen Alpen-Jazz-Programm. Er kennt und liebt große Bühnen und die weite Welt, legt aber Wert darauf, regelmäßig auch an kleinen, ländlichen Veranstaltungsorten Jazz nahezubringen.
Preise und Auszeichnungen:
2006 WDR-Jazzpreis für Improvisation
, 2008 Ernennung zum „Rising Star“ auf Vorschlag der Kölner Philharmonie
, 2008 Förderpreis NRW für Komposition, Dirigat, Instrumentalmusik
, 2012 Preis der Deutschen Schallplattenkritik für „Six, Alps & Jazz“
, 2016 Weltmusik-Preis RUTH in Rudolstadt
, 2019 neuer deutscher Jazzpreis – Bandpreis mit Shreefpunk und Solistenpreis
, 2020 Förderung BTHVN 2020 – Projekt „Jazz, Jam & Beethoven“
und 2021 Förderung Musikfonds – Projekt „Geläut“.
Foto: Susanne Heraucourt